Wer seine Eltern sind, weiß niemand ganz genau. Zur Wahl stehen als Vater u.a. Zeus, Apollon, Kronos und Uranos. Die dem Pan geweihte Homerische Hymne nennt aber Hermes als dessen Erzeuger, und da wir eine gewisse, wenn schon nicht äußerliche so doch wesensmäßige Verwandtschaft zwischen den beiden zu erkennen meinen, wollen wir dieser Quelle glauben. Als seine Geschwister gelten die Moiren. Der Dichter erklärt weiterhin, die Nymphe Dryope sei Pans Mutter gewesen, während andere behaupten, Hermes habe der— mit Odysseus‘ züchtiger Gemahlin wahrscheinlich nicht identischen — arkadischen Göttin Penelope in Gestalt eines Widders beigewohnt und mit ihr den kleinen Zottel gezeugt. Wieder andere halten die Ziege Amaltheia (Zeus) für seine Mama, denn von irgend jemandem müsse er ja schließlich seine Hörner und seine Bocksfüße geerbt haben. Doch dies nur am Rande.

Die Mutter jedenfalls (nennen wir sie Dryope) riss beim Anblick der kleinen urhässlichen Missgeburt die Augen auf und suchte flugs in buchstäblich "panischem" Entsetzen das Weite. Und das war das erste Mal, dass der spätere Hirtengott durch sein plötzliches Erscheinen »>Panik« verbreitete. Hermes dagegen fand sein Baby süß, er "wickelte sorglich das Kind ins wollige Fell des im Bergland heimischen Hasen und eilte geschwind zum Wohnsitz der Götter". Dort zeigte er den Kleinen stolz herum, und alle bewunderten ihn gebührend — ganz besonders aber Dionysos, der durch sein Gefolge aus Satyrn und Silenen an merkwürdige Gestalten gewöhnt war. Der große Gott freute sich später auch stets über Pans Gesellschaft, achtete darauf, dass ihm der Wein niemals ausging, und ließ sich gern von seinen drolligen Späßen unterhalten.

Pan fühlte sich allerdings auf dem Olymp nicht wohl. Ihn zog es bald in die Einsamkeit des ländlichen Arkadiens, wo er, ohne sich zu überanstrengen, für das Gedeihen der Herden sorgt und, alles in allem, mit dem geruhsamen Leben eines Hirtengottes vollauf zufrieden ist. Sein Mittagsschläfchen ist ihm (und den Landleuten) allerdings heilig, und wehe dem, der dann lärmt und ihn aufweckt — der Unselige kann ihn von seiner unangenehmen Seite kennen lernen!

Braucht Pan gelegentlich ein wenig Abwechslung, platzt er eben mal unter eine ruhig weidende Ziegen- oder Schafherde und lacht sich ins Fäustchen, wenn die Tiere entsetzt blökend davon spritzen. Und, nun ja, daneben ist er ausreichend damit beschäftigt, jedem Weiberrock, dessen er ansichtig wird, hinterherzulaufen — und zwar im wörtlichen Sinne, denn vor seiner Hässlichkeit und der stets freizügig gezeigten Männlichkeit nimmt die holde Weiblichkeit in den meisten Fällen Reißaus. Ein solches Erlebnis — dem Pan übrigens sein für ihn typisches Musikinstrument verdankt — schildert Ovid in den "Metamorphosen": Einmal verliebte sich der Ziegengott nämlich in die gleichermaßen hübsche wie keusche Nymphe Syrinx und machte ihr sofort auf seine gewohnt direkte Art unsittliche Anträge. Sie wies ihn errötend zurück, und als er sich davon nicht entmutigen ließ, suchte sie ihr Heil in der Flucht: Sie lief und lief, über Stock und Stein, bis sie endlich an einen Fluss gelangte und nicht mehr weiterkonnte. Um ihre Tugend besorgt, bat sie eilends die "Schwestern der Wassertiefe", sie zu verwandeln, und als Pan am Ufer eintraf und Syrinx in die Arme schließen wollte, fand er statt der Begehrten nur ein paar Schilfhalme. Und wie er ratlos seufzend dastand und verdutzt überlegte, was geschehen sein mochte, fuhr der Wind in das Rohr und erzeugte einen feinen Ton, "der einer Klage glich". Pan horchte auf und sprach das geflügelte Wort: "Diese Art der Zwiesprache mit dir wird mir bleiben" — oder etwas Ähnliches, vielleicht nicht ganz so Gestelztes; jedenfalls bastelte er sich aus den Halmen eine Flöte zurecht, die berühmte Panflöte. Die aber nannte er im Gedenken an seine verlorene Geliebte "Syrinx".

Einem vergleichbaren Ereignis verdankt er ein anderes seiner Attribute, den Kranz aus Fichtenzweigen, den er ab und an auf dem Kopf trägt. Diesmal war es die Nymphe Pitys, bei der er nicht zu Potte kam. Als er drauf und dran war, sie zu vergewaltigen, wurde sie auf ihr Flehen in eine Fichte verwandelt. Seitdem ist der Baum dem Pan heilig. Solche unglücklichen Ereignisse können Pan aber nicht lange erschüttern, und oft genug führt er in Gesellschaft zwielichtiger Gestalten und willigerer Mädchen auf freier Wiese Tänze auf, die in wüsten Gelagen enden. Aber dies ist, wie schon angedeutet, nur eine Seite des bescheiden gebliebenen, bodenständigen Gottes. Denn positiv ist zu vermerken, dass er nicht nur den Hirten tatkräftig hilft, indem er dafür sorgt, dass sich ihre Herden vermehren, einzelne Tiere nicht verloren gehen und die Bienen reichlich Honig geben — er steht auch den Jägern zur Seite. So sehr verließen sich diese auf seine Unterstützung, dass sie, wenn sie einmal mit leeren Händen von der Pirsch heimkehrten, dem Abbild des Gottes zur Strafe Meerzwiebeln um die Ohren schlugen! Daneben kümmert er sich auch um den Fischfang, und die Menschen danken es ihm mit vielen idyllisch gelegenen Heiligtümern und aus Lämmern, Milch, Honig und Most bestehenden Opfergaben.

Wenigstens einmal griff Pan auch nachweislich in den Gang der Weltgeschichte ein. Im Jahre 490 vor unserer Zeit, als sich Perser und Athener bei Marathon gegenüberstanden, schickten letztere einen Läufer nach Sparta, um von dort Hilfe zu holen. Unterwegs, so berichtet Herodot, begegnete dem Boten Pan. Der Gott grüßte ihn und trug ihm auf, die Athener zu fragen, warum sie ihn eigentlich nicht verehrten, wo sie doch sähen, dass er ihr Freund sei "und ihnen früher oft geholfen habe, und das auch wieder tun werde". Und er bewies auch sofort, dass er es tatsächlich ehrlich meinte, denn er fuhr in das Heer der Perser, das denn auch augenblicklich von kopfloser Panik erfasst wurde. Die Athener dankten es dem Gott, indem sie ihm nach ihrem Siege unterhalb der Akropolis einen Tempel und eine Kultstätte errichteten.

Manche sagen, Pan sei der einzige Gott, der inzwischen gestorben sei, und berufen sich dabei auf eine recht seltsame Geschichte. Einst, so heißt es, sei ein Schiff, gesteuert vom Ägypter Tamuz, von Griechenland aus unterwegs nach Sizilien gewesen. Plötzlich kam eine Windstille auf, und eine Stimme rief den Steuermann vom Ufer her beim Namen und fuhr fort: "Wenn du nach Palodes kommst, verkünde allen, dass der große Pan tot ist." Tamuz tat wie geheißen, und kaum hatte er die Botschaft ausgerichtet, erhob sich entlang der Küste ein lautes Stöhnen und Wehklagen.
‘Wir wollen diese Geschichte nicht direkt anzweifeln, halten sie allerdings, mit Plutarch und vielen anderen nach ihm, für ein einziges Missverständnis. Wie der Steuermann tatsächlich hieß, wissen wir nicht, aber der Klageruf, den er hörte, betraf nicht Pan, sondern Dumuzi* (Tammuz) oder Adonis — den Vegetationsgott, dessen alljährlicher Tod in Griechenland und im vorderasiatischen Raum mit großen Trauerfeierlichkeiten begangen wurde.

Und so können wir beruhigt ausrufen: Der große Pan lebt. Pan, aus Arkadien stammender Wald- und Weidegott, kann durch sein überraschendes Erscheinen, besonders in der sommerlichen Mittagsstille, bei Tier und Mensch panischen Schrecken hervorrufen. Die von Plutareh erzählte Geschichte vom Tod des Pan erweist diesen als Vegetationsgott. Das an sich ungeklärte Theonym wurde mit griechisch pan (all) zusammengeworfen und der Gott damit zu einer Art Allgott erhoben. Von den römischen Göttern wurde ihm Faunus gleichgesetzt. In spätmittelalterlichen Spekulationen galt er als Teufel. Er hält einen gebogenen Hirtenstab und eine siebenrohrige Flöte, seine Kleidung ist ein Leopardenfell. In seiner Begleitung tanzen Nymphen, Satyrn und Silenen.

Trotz der dem Pan nachgesagten Geilheit sind ihm relativ wenige Liebschaften und Nachkommen zugeschrieben. Mit der Echo, die als seine rechte Gemahlin gilt, soll er Vater der Jynx sein, von einer unbekannten Gattin soll er Vater von zwölf weiteren ihm gleichen Gestalten sein.
In Lykosura in Arkadien hatte Pan ein Heiligtum, in dem ein nie verlöschendes Feuer brannte. Hier soll Pan in älterer Zeit um Orakel befragt worden sein, die Nymphe Erato war seine Prophetin.

Als der Typhon gegen die Olympier stritt, riet Pan diesen, sie sollten sich in Tiere verwandeln und in deren Gestalt gegen das Ungeheuer kämpfen. So tat man mit Erfolg und der Bock, in den sich Pan verwandelt hatte, wurde zum Dank für diesen Rat als Sternbild Steinbock an den Himmel gesetzt Auch im Streit gegen die Titanen war Pan behilflich. Hierbei blies er bestimmte Meeresmuscheln wie eine Trompete und erschreckte mit solchem Lärm die überraschten Titanen. Ähnlich erzeugter Lärm half auch dem Dionysos, als dessen Lage einmal ungünstig war.
Zweimal versuchte Pan sich selbst im Wettstreit. Einmal trat er gegen den Apollo zu musikalischem Wettstreit an. Weil Midas das Urteil des Tmolus, der dem Apollo mit seiner Kithara den Sieg zusprach, nicht anerkannte, bedachte Apollo den phrygischen König mit einem Paar Eselsohren.

Im anderen Streit unterlag Pan dem Eros. Gegen diese Personifikation der Begierde unterlag er im Ringen und wurde deshalb zu seiner vergeblichen Liebe zu der Syrinx verurteilt. Auch den Menschen half Pan im Kampfe. Er schlug die Kelten in die Flucht, als diese das Heiligtum von Delphi bedrohten; in der Schlacht von Marathon kam er den Athenern zur Hilfe, die ihm dafür ein Höhlenheiligtum auf der Akropolis weihten. Wichtiger war noch seine Entdeckung der Demeter. Als die sich aus Trauer um ihre Tochter Persephone versteckt hielt und alles Getreide verdorrte, spürte Pan sie in Arkadien am Elaï auf und Zeus konnte die nährende Göttin zur Rückkehr bewegen An einem der Quellflüsse des Jordan, dem Nahr Banijas, befindet sich das antike Panaeas mit einer Stätte, die als Grotte des Pan Kultplatz war.
Pan soll auch auf die iberische Halbinsel gelangt sein, Hispania trage nach ihm seinen Namen.

Der Pan entspricht dem römischen Faunus, sonst kennt man ihn noch unter den Namen Agreus, Agrius, Aegipan, Arcadius, Inuus, Lampeus, Lupercus, Lycaeus, Lyterius, Maenalius, Nomius, Scoletus und Sinois.

Bei den Ägyptern war ihm die Stadt Chemmis heilig. Als Mende zählte man ihn unter die acht großen Götter und sah in ihm die befruchtende Zeugungskraft. Von Ägypten aus soll die Verehrung das Pan nach Griechenland gekommen sein, besonders in Arkadien verehrte man ihn und hielt ihn für einen eingeborenen Gott.
Gedeutet wird Pan als Sinnbild der Natur insgesamt, „da denn sein oberer Teil auf den Himmel, sein unterer auf die Erde, seine Hörner auf den Mond, sein rotes Angesicht auf die feurige Luftgegend, seine Haare auf die Sonnenstrahlen, oder auch die Wälder, Bäume, Gras und Kräuter, sein Bauch auf das Meer, seine Hornfüße auf die Unbeweglichkeit der Erde, die Spaltung derselben auf deren Berge und Täler, seine gesternte Pantherhaut auf den gestirnten Himmel, seine siebenfache Pfeife auf die sieben Planeten, sein krummer Hirtenstab auf den Herumlauf des Jahres, u. s. f. gedeutet wird” Für den englischen Philosophen Francis Bacon (1561 bis 1626) bezieht sich die Sage vom stygischen Eide auf Verträge zwischen Staatslenkern, die nur dann einander trauen können, wenn ihnen selbst bei Eidbruch Gefährdung ihres Staates und damit ihrer Macht droht, hier symbolisiert durch den Umstand, dass der Ausschluss von göttlichen Tafelfreuden den Verlust von Macht und Einfluss bedeutet Die Weisheit der Alten.