Dunkler Herrscher der Schatten
Gott des Lebens und Spender des Lebens
Doch ist Euer Wissen, dass Wissen des Todes
Öffnet weit, so bitte ich Euch, die Tore durch die alle gehen müssen.
Lasset unsere Lieben, die bereits gegangen sind in dieser Nacht zurückkehren
Um mit uns fröhlich zu sein.
Und wenn unsere Zeit kommt, so wie es sein muss,
O Ihr der Tröster, der Spender von Frieden und Ruhe
Euer Reich werden wir freudig und furchtlos betreten;
Denn wir wissen, dass wir, ausgeruht und erfrischt zwischen unseren Lieben,
wiedergeboren werden durch Eure Gnade,
Und durch die Gnade der Großen Mutter
Möge es am selben Ort und zur selben Zeit, wie unsere Geliebten sein,
Und mögen wir uns treffen, und wissen, und uns erinnern, und sie erneut lieben!



Der Vorabend des 1. November, wenn der keltische Winter beginnt, ist das dunkle Gegenstück des den Sommer begrüßenden Maienabends. Darüber hinaus war der 1. November für die Kelten der Jahresbeginn selbst und das Samhainfest ihre Sylvesternacht, jener geheimnisvolle Augenblick, der weder zu Vergangenheit noch Gegenwart gehörte, weder zu dieser Welt noch zur Anderen. Samhain ist irisch-gälisch für den Monat November; Samhuin ist schottisch-gälisch für Allerheiligen, 1. November.

Den alten Hirtenvölkern, deren Herdenhaltung nur selten Rückhalt im primitiven Ackerbau hatte und meist ohne diesen auskam, war es einfach nicht möglich, ganze Herden über den Winter durchzufüttern, also wurde das für die Zucht nötige Minimum von Tieren am Leben erhalten und der Rest geschlachtet und gepökelt - damals der einzige Weg, Fleisch zu konservieren.
Samhain war die Zeit dieses Tötens und Haltbarmachens, und man kann sich unschwer ausmalen, was für ein nervös-kritischer Anlass es war. War die richtige - oder eine ausreichende - Zuchtwahl getroffen worden? Würde der kommende Winter lang und hart sein? Und wenn ja, würden die Zuchttiere überleben oder der Fleischvorrat den Stamm durch den Winter bringen?

Auch die Feldfrüchte mussten bis zum 31. Oktober sämtlich eingebracht sein, und alles, was noch nicht abgeerntet war, wurde aufgegeben - wegen des Puka, eines Nachtmahrs, der seine Gestalt zu ändern vermochte und seine Freude daran fand, Menschen zu plagen; man glaubte, dass dieser die Samhainnacht verbrachte, indem er alles nicht Geerntete zerstörte oder verseuchte. Die bevorzugte Verkleidung des Puka scheint die Gestalt eines abscheulichen schwarzen Pferds gewesen zu sein.
Zur wirtschaftlichen Unsicherheit kam somit ein Gefühl seelischen Erschauerns hinzu, denn zur Jahreswende - das alte Jahr im Sterben, das neue noch ungeboren - war der Schleier sehr dünn. Die Pforten der Sidh-Munde standen offen, und in dieser Nacht brauchte weder Mensch noch Feenwesen ein magisches Losungswort, um zu kommen oder zu gehen. In dieser Nacht suchten die Geister verstorbener Freunde die Wärme des Samhainfeuers und die Kommunion mit ihren lebenden Anverwandten. Das war Féile na Marbh, das Fest der Toten, und auch Féile Moingfhinne, das Fest der Weißhaarigen, der Schneegöttin Es war eine teilweise Rückkehr zum ursprünglichen Chaos die Auflösung etablierter Ordnung als Vorspiel zu ihrer Wiedererschaffung in einem neuen Zeitabschnitt.

Samhain war also einerseits eine Zeit der Beschwichtigung, Divination und Kommunikation mit den Toten und andererseits ein Fest ungehemmten Essens, Trinkens und einer trotzigen Bekenntnis zum Leben und zur Fruchtbarkeit angesichts der nahenden Finsternis.

In den alten Tagen, als das Gefühl bestand, das Überleben hinge davon ab, war die Beschwichtigung eine grausame und todernste Angelegenheit. Es kann kaum Zweifel daran bestehen, dass zu Zeiten dafür Menschenopfer gebracht wurden - Verbrecher, die man für diesen Zweck verschont hatte, oder, am anderen Ende der Skala, einen alternden König; wenig Zweifel auch daran, dass diese rituellen Tötungen durch Feuer geschahen, da in der keltischen (und übrigens auch nordischen) Mythologie viele Könige und Helden zu Samhain sterben, oftmals in einem brennenden Haus, in welchem er durch die Ränke übernatürlicher Frauen gefangen ist. Der Verbrennung mag ein Ertrinken folgen, so wie es mit den Königen von Tara, Muirchertach mac Erca und Diarmait mac Cerbaill im sechsten Jahrhundert geschah.

Später wurde dieses Sühneopfer natürlich symbolisch, und englische Kinder führen diesen Symbolismus immer noch unwissentlich in der Guy Fawkes-Nacht auf, der vom Samhainfeuer übernommen wurde. Es ist interessant, dass der verbrannte Guy als gescheiterter Königs-Attentäter in gewissem Sinn dessen Platz einnimmt.

Der Widerhall des königlichen Samhainopfers mag auch in den an seine Stelle getretenen Tieropfern nachgeklungen sein.
Irlands Nacht der Feuer und Feuerwerke ist immer noch Helloween, und einiges, was unbewusst weiterlebt, ist bemerkenswert.

In Schottland und Wales pflegte man individuelle Familienfeuer zu Samhain zu entzünden; diese wurden Samhnagan in Schottland und Coel Coeth in Wales genannt und über Tage zuvor auf der höchstgelegenen Stelle in der Nähe des Hauses errichtet. Diese Sitte gedieh in manchen Bezirken beinahe noch zu Lebzeiten mancher, obwohl sie bis dorthin (ähnlich wie Englands Nacht der Feuer) meistenteils zu einer Kinderfeier geworden war. Der Brauch der Helloweenfeuer überlebte auch auf der Isle of Man.

Der Aspekt der Divination zu Samhain ist aus zwei Gründen verständlich. Erstens wurde diese durch das psychische Klima der Jahreszeit begünstigt, und zweitens verlangte die Sorge über den nahenden Winter danach. Ursprünglich waren die Druiden “übersättigt mit frischem Blut und Fleisch, bis sie in Trance fielen und Prophezeiungen taten“, und lasen die Omen für den Stamm im kommenden Jahr; in der Überlieferung der Folklore jedoch wurde die Divination persönlicher.

Insbesondere suchten junge Frauen ihren zukünftigen Ehemann entweder durch die Art und Weise, in der geröstete Nüsse im Feuer sprangen, oder durch das Heraufbeschwören seines Bildes in einem Spiegel ausfindig zu machen. In der Grafschaft Donegal wusch ein Mädchen dafür ihr Nachtgewand dreimal in fließendem Wasser und hing es am Samhainabend um Mitternacht vor dem Küchenfeuer zum Trocknen auf, wobei sie die Tür offen ließ; ihr zukünftiger Ehemann würde dadurch angezogen, einzutreten und es ihr zu übergeben. Eine andere Formel sagte, das Waschwasser sollte “von einem Quell stammen, über den Brautleute und Leichenzüge schritten“. Eine weitere verbreitete Methode für ein Mädchen war es, ein verlockendes Mahl auf ihrem Tisch anzurichten, zu welchem das “Abbild“ (“the fetch“) ihres zukünftigen Gemahls kommen würde und, nachdem es gegessen hatte, an sie gebunden sein würde. (Das “Abbild“ ist natürlich der projizierte Astralkörper - was impliziert, dass zu Samhain nicht nur der Schleier zwischen Materie und Geist sehr dünn war, sondern auch das Astrale weniger stark mit dem Körperlichen verbunden).

Helloweennüsse und -äpfel haben immer noch ihren divinatorischen Aspekt in der volkstümlichen Tradition, wie das Nüssesammeln zu Bealtaine bedeuteten sie jedoch ursprünglich Fruchtbarkeit, denn auch Samhain war eine Zeit bewusster (und für den Stamm zweckmäßiger) sexueller Freiheit. Wie man erwarten mag, spiegelt sich dieser Aspekt des Fruchtbarkeitsrituals in den Sagen von Göttern und Helden wider. Der Gott Angus mac Óg und der Held Cu Chulainn hatten beide Samhainaffären mit Frauen, die ihre Gestalt in die eines Vogels verwandeln konnten; und zu Samhain paarte sich der Dagda (der “Gute Gott“) mit der Morrigan (dem dunklen Aspekt der Göttin), als sie über den Uniusfluss schritt, und auch mit Boann, der Göttin des Boyneflusses.

Wie die anderen heidnischen Feste war auch Samhain so tief in der Volkstradition verwurzelt, dass das Christentum versuchen musste, es zu übernehmen. Der Aspekt der Kommunikation mit den Toten und anderen Geistern wurde zu Allerheiligen christianisiert, von seinem ursprünglichen Platz am 13. Mai auf den 1. November verlegt und von Papst Gregor IV 834 auf die gesamte Kirche erstreckt. Unbequemerweise blieben aber die heidnischen Obertöne lebendig, und die Reformation schaffte in England Allerheiligen ab. Erst 1928 wurde es von der Church of England wieder formal eingesetzt, unter der Annahme, dass die alten heidnischen Assoziationen zu Helloween endlich wirklich tot und vergessen waren; eine Annahme, die gewiss voreilig war.
Was das Fest selbst betrifft - im Sinn des Festmahls war das ursprüngliche Essen natürlich ein Teil des frisch geschlachteten Viehs, das im reinigenden Samhainfeuer geröstet wurde und zweifelsohne von der Art rituell dargebotener “erster Früchte“ war; darauf weist der Umstand hin, dass die Priesterschaft zu divinatorischen Zwecken das Vorrecht darauf hatte und dass das, was nicht von ihnen verbraucht wurde, ein Festmahl für den Stamm abgab.

In späteren Jahrhunderten nahm man ein rituelles Essen, das als “sowens“ bekannt war, zu sich.
Eines war Samhain seit jeher und ist es immer noch: ein lustiges und herzhaftes Fest, eine Nacht des Schabernacks, der Beginn der Regentschaft des nämlichen Herren der Missherrschaft, die traditionellerweise von nun bis Lichtmess währt - dennoch mit ernsthaften Untertönen. Nicht dass wir uns der Missherrschaft unterwerfen, doch da der Winter beginnt, blicken wir dem “ursprünglichen Chaos“ ins Antlitz, auf dass wir darin die Keime einer neuen Ordnung erkennen mögen. Indem wir es herausfordern und sogar mit ihm lachen, erklären wir unser Vertrauen darin, dass Göttin und Gott aus ihrer ureigenen Natur ihm nicht gestatten können, uns hinwegzufegen.