Brigit oder Brighid, »die Erhabene«, spielt im irischen Volksglauben noch heute eine recht wichtige Rolle. Ihr Feiertag, der erste Februar, wird mit mancherlei Riten begangen, wobei vor allem Strohkreuze geflochten werden, die das Haus und dessen Bewohner vor allem Unheil schützen sollen. Diese »Brigits-Kreuze« weisen durch ihre Swastikaform auf die enge Beziehung der Göttin zur Sonne und zum Feuerelement hin. Ihr Fest markierte im traditionellen keltischen Kalender das Ende des Winters: Die reinigende Kraft des Feuers und der Sonne bereitete den Weg für das neue Jahr, und die Bauern erflehten den Segen Brighids für die Aussaat. Doch nicht nur den Feldern schenkt Brighid Fruchtbarkeit, sondern ebenso auch den Tieren und den Menschen. Und Frauen verhilft die Göttin, wenn entsprechend freundlich gestimmt, sowohl zur Schwangerschaft als auch zu einer nicht allzu schmerzhaften und erfolgreichen Entbindung.

Doch damit sind die Fähigkeiten und Aufgaben der Brighid (die nicht umsonst mit Minerva* verglichen wird) noch keineswegs erschöpft. Als echte Tochter Dagdas hat sie dessen zahlreiche Talente geerbt und ist in vielerlei Künsten bewandert, ganz besonders aber im Schmieden — von Metallen und von Versen. Dementsprechend ist sie Schirmherrin nicht nur der Schmiede und allgemein der Kunsthandwerker, sondern auch der Druiden, Dichter und Barden.
Während die Glut des inspirierten Wortes und der Esse recht gut zum Charakter einer Feuer- und Sonnengöttin passt, könnte Brighids Liebe zum Wasser eher seltsam anmuten; Tatsache aber ist, dass sie sich als die Beschützerin der irischen Gewässer, insbesondere der Quellen, fühlt und streng darüber wacht, dass niemand sie beschmutzt oder sonst wie entweiht. Und hierin offenbart sich schließlich noch eine weitere wichtige Funktion der Brighid: Sie versteht sich auf die Kunst des Heilens. Vielen ihrer Quellen wird in Irland noch heute nachgesagt, dass sie bestimmte Leiden lindern oder ganz kurieren — vorausgesetzt, man bringt ein angemessenes Opfer an deren Herrin dar und lässt es vor Ort nicht an Ehrerbietung fehlen.

Neben all ihren Pflichten fand Brighid übrigens auch Zeit zum Heiraten. Allerdings suchte sie sich dafür einen nicht eben sehr sympathischen Mann aus: den schönen, aber Dagobertgeizigen — und bei allen übrigen Göttern bald äußerst unbeliebten — Bres. Auch scheint diese Verbindung unter keinem guten Stern gestanden zu haben, denn der Sohn der beiden, Ruadan, kam früh ums Leben. Untröstlich über den Verlust des einzigen Kindes, brach Brighid in hemmungsloses Weinen und Jammern und begründete damit den Brauch der rituellen Totenklage (caoin, keen), der bis auf den heutigen Tag ausgeübt wird.
Wie sehr Brighid von den Iren geliebt und verehrt wurde, zeigt sich auch daran, dass die christlichen Missionare ihren Kult nicht ausrotten konnten und ihnen daher nichts anderes übrig blieb, als sie als »Heilige« zu vereinnahmen.