Wir entfachen heute dieses Feuer,
In der Gegenwart der Heilligen
Ohne Arglist, ohne Neid, ohne Zorn,
Ohne Furcht vor irgendeiner Wesenheit unter der Sonne
Außer den höchsten Göttern.
Euch rufen wir an, O Licht des Lebens,
Seid eine helle Flamme vor uns,
Seid ein leitender Stern über uns,
Seid ein ebener Weg unter uns;
Entfachet in unseren Herzen,
Eine Flamme der Liebe für unsere Nächsten,
für unsere Feinde, für unsere Freunde, für alle unsere Artgenossen,
für alle Menschen auf dem Erdenrund.
O gnadenreicher Sohn Cerridwens,
Vom niedersten Wesen das lebt
Zu dem Namen welcher der höchste von allen ist!



“Die Sonne bewaffnet sich zu Ostara.“ Licht und Dunkel sind in der Waage, doch das Licht besiegt die Dunkelheit. Es ist grundsätzlich ein solares Fest und ein Neuankömmling zur Alten Religion im keltischen und teutonischen Europa.

Obwohl durch den Einfluss der Teutonen Jul und Mittsommer zu den vier Großen Sabbaten der viehtreibenden Kelten hinzukamen, umfasste die neue Synthese immer noch lediglich sechs Festlichkeiten. Die Äquinoktien wurden in Britannien nie beobachtet“(ausgenommen, wie wir wissen, von den prä-keltischen Megalithenvölkern).

Dennoch sind die Tagundnachtgleichen heute fraglos unsere Begleiter; moderne Heiden begehen die acht Festlichkeiten fast einhellig, und niemand vermeint, dass die zwei Äquinoktien eine Neuerung seien, die sich Gerald Gardner oder romantische Renaissance-Druiden ausgedacht hätten. Sie sind ein echter Bestandteil heute existierender Heidentradition, selbst wenn ihre Samen aus dem Mittelmeerraum hereingeweht wurden und, wie viele andere fruchtbare Elemente daneben, in der Scholle der Jahrhunderte im Untergrund keimten. (Wicca-Puristen, die alles ablehnen, was aus dem klassischen Griechenland oder Rom stammt, aus dem Alten Ägypten, aus der hebräischen Kabbala oder von der tuscanischen Aradia, sollten besser auch aufhören, die Äquinoktien zu feiern). Der Import solcher Konzepte ist immer ein komplexer Vorgang. Die Wahrnehmung der Frühlingstagundnachtgleiche im Volke auf den Britischen Inseln beispielsweise muss hauptsächlich mit dem christlichen Osterfest importiert worden sein. Doch Ostern brachte sozusagen in seinem Gepäck aus dem Mittelmeerraum die heidnischen Obertöne der Frühlingstagundnachtgleiche mit sich.

Die Schwierigkeit, der sich Hexen gegenübersehen, nämlich zu entscheiden, wie sie die Frühlingstagundnachtgleiche nun eigentlich feiern sollen, kommt nicht daher, dass die “ausländischen“ Assoziationen den einheimischen wirklich fremd wären, sondern dass die einen die anderen überschneiden und Themen ausdrücken, die lange zuvor mit den älteren einheimischen Sabbaten in Verbindung gebracht worden waren. Das Thema des Vermählungsopfers etwa war in den Mittelmeerländern stark mit dem Frühlingsäquinoktium verbunden. Das grausame Fest der phrygischen Göttin Cybele, zu welchem die Selbstkastration, der Tod und die Wiederauferstehung ihres Sohns/Geliebten Attis dadurch gekennzeichnet wurde, dass sich Verehrer kastrierten, um ihre Priester zu werden, fand beispielsweise vom 22. bis 25. März statt. In Rom fanden diese Riten an der Stelle statt, an der nun die Peterskirche im Vatikan steht. Tatsächlich pflegten die ortsansässigen Christen den Tod und die Wiederauferstehung Christi dort, wo der Attiskult verbreitet war, zum selben Datum zu feiern; Heiden und Christen pflegten erbittert darüber zu streiten, welcher Gott der wahre Prototyp wäre und welcher dessen Imitation. Rein chronologisch hätte es keine Diskussion geben dürfen, da Attis viele Jahrhunderte vor Christus aus Phrygien kam; die Christen jedoch hatten das unwiderlegbare Argument, dass der Teufel listigerweise Fälschungen vor der wahren Ankunft verbreitet hätte, um die Menschheit in die Irre zu führen.

Ostern - der freiwillige Tod Jesu, sein Abstieg in die Hölle und seine Wiederauferstehung - kann man als christliche Version des Vermählungsopferthemas ansehen, da die “Hölle“ in diesem Sinn die Auffassung des patriarchalen Monotheismus vom kollektiven Unbewussten ist, der gefürchtete weibliche Aspekt, die Göttin, wohinein, als notwendiges Vorspiel zur Wiedergeburt, der geopferte Gott gestürzt wird. Christi “Höllenqualen“, wie sie im apokryphen Nikodemusevangelium beschrieben sind, umfassten auch sein Erlösen der Seelen der Gerechten von Adam an aufwärts, “die seit Anfang der Welt im Schlaf versunken waren“, und deren Erhebung in den Himmel durch ihn. Befreit von theologischem Dogma, kann dies eine positive Bedeutung haben - die Reintegration der verborgenen Schätze des Unbewussten (die Gabe der Göttin) mit dem Licht des analytischen Bewusstseins (die Gabe des Gottes).

In der klassischen und vorklassischen Zeit war der Frühling auch eine besondere Jahreszeit für eine Form des Vermählungsopfers, die gleichermaßen freundlicher und positiver war als der Attiskult - hieros gamos, die heilige Vermählung. Hierbei identifizierte sich die Frau mit der Göttin, und der Mann versenkte sich durch sie in die Göttin, er gab von seiner Männlichkeit, ohne diese aber zu zerstören, und ging aus der Erfahrung spirituell neu belebt hervor. Der Große Ritus, symbolisch oder echt, ist offensichtlich der hieros gamos der Hexen; damals wie heute schockierend für Leute, die ihn nicht verstanden haben.

Im Norden aber, wo der Frühling später kommt, gehörten diese Aspekte in Wirklichkeit zu Bealtaine, anstatt zum nicht beachteten Äquinoktium.